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Pokal-Sternstunde in pink

Frauenhandball, DHB-Pokal Die TuS Metzingen setzt sich mit überragender zweiter Hälfte im Achtelfinale beim Buxtehuder SV mit 26:25 (11:15) durch. Anna Loerper mit Muskelfaserriss.

Er hätte, sagte TuS-Geschäftsführer Ferenc Rott kurz nach dem Abpfiff, in der Halbzeit keinen Cent mehr auf das Weiterkommen seiner Mannschaft gesetzt. „Ich weiß, dass wir immer kämpfen“, sagte er. Zusätzlich weiß er jetzt, dass seine TusSies sogar in der Lage sind, ein Spiel bei der derzeit vielleicht stärksten Mannschaft in Deutschland noch zu drehen. Phänomenale 30 Minuten nach dem Seitenwechsel machten ihn fast sprachlos – und gescheiter.

Ohne Anna Loerper musste die TuS Metzingen die Neuauflage des diesjährigen Finals angehen. Die Befürchtungen haben sich bestätigt. Sie erlitt einen Muskelfaserriss in der Wade. Jetzt wünscht ihr Handball-Deutschland, dass die Spielführerin des Nationalteams bis zur WM wieder auf die Beine kommt. Der TuS wird sie definitiv in den letzten Spielen vor der WM-Pause fehlen.

So musste man also die immens schwere Aufgabe in Buxtehude ohne die Taktgeberin angehen. Delaila Amega und Shenia Minevskaja waren als Regisseurinnen gefragt. „Ich weiß nicht, was in der ersten Halbzeit los war. Wir waren nicht zu 100 Prozent da“, blickte Trainer René Hamann-Boeriths zurück.

Wobei hier ein kleiner Widerspruch angebracht ist. Es lief so schlecht nicht. Jasmina Jankovic hatte ihre Mannschaft per „Empty-Net-Goal“ in der 17. Minute nach zugegeben etwas holprigem Start mit 8:7 in Führung gebracht. Die Keeperin hatte sowieso eine klasse Tag gezogen. Marlene Zapf bot auf rechts eine überragende Partie. Alles gut bis zum 10:10 (24.). Dann passierte Komisches in Serie: Emily Bölk feuerte aus dem BSV-Rückraum krumme Dinger ab, Julia Behnke und Maren Weigel scheiterten am Torgebälk, zwei Versuche hätten sich die TusSies besser verkniffen – und plötzlich lag Buxtehude zur Halbzeit mit 15:11 vorne, weil Michelle Goos Gegenstöße sicher versenkte.

In Halbzeit zwei kam zunächst Kelly Vollebregt mit zwei blitzsauberen Treffern, ehe sie wegen eines Verbalvergehens wieder raus musste, als sie eine durchaus diskussionswürdige Schiri-Intervention bei einem TuS-Gegenstoß kommentierte. 17:13 für den BSV in der 36. Minute, 17:17 nach einem Großmann-Treffer (40.). Unterstützt wurde die Aufholjagd durch teilweise unfassbare Jankovic-Paraden. „Wir haben die Big Points nicht gemacht, nicht am Optimum gespielt“, monierte Buxtehudes Trainer Dirk Leun, der dann auch noch sagte, dass man einer überragenden Metzinger Mannschaft einen tollen Fight geliefert habe.

Haben sie, nur eben die Big Points, zum Beispiel in Gestalt von zwei Siebenmetern, nicht rein gemacht. Es folgte Minute 48, als zunächst Delaila Amega eine ihrer gefürchteten Unterarm-Schleudern auspackte zur 21:20-Führung. „JJ“ parierte zwei Mal gegen Bölk, ehe Shenia Minevskaja einen Siebenmeter zum 22:20 aus pinker Sicht ins Netz legte. Buxtehude packte eine ganz offensive Abwehr aus, die nach Amegas 22:24 (53.) dann auch für Konfusion im Metzinger Lager sorgte. Noch mehr verwirrt waren aber die Gastgeberinnen. Lisa Prior setzte zunächst einen Siebenmeter an den Pfosten, Lone Fischer warf ihn beim Stand von 25:26 gar am Tor vorbei. Vielleicht hätte man nach Vollebregts 23:26 (57.) das Ding nervenschonender nach Hause bringen können. Das tat dem Jubel nach dem Abpfiff aber keinen Abbruch. Die Spielerinnen waren aus dem pinken Häuschen. Delaila Amega: „Wir haben das Spiel nicht gut begonnen und uns in der ersten Halbzeit unter unserem Niveau präsentiert. Doch wir haben uns reingekämpft und die zweite Halbzeit war einfach nur der Hammer. Nun freuen wir uns auf das nächste Spiel.“ Jasmina Jankovic war ebenfalls begeistert: „Ja, das war einfach super. Am Ende hat unser Kampfgeist und der Glaube an dem Sieg einfach den Ausschlag gegeben. Wir haben gekämpft und in der zweiten Halbzeit mit mehr Mut Richtung gegnerisches Tor gespielt. Hinten standen wir dann kompakt und im Angriff hat Delaila gezeigt, dass sie momentan in einer Klasseform ist.“ Katharina Beddies: „Es war ein spannendes Spiel in welches wir nur schwer hineingekomen sind, wobei wir gerade in der ersten Halbzeit auch etwas Pech hatten. In der zweiten Hälfte haben wir richtig an uns geglaubt. Wir haben gut gekämpft und unser Rückzugsverhalten war deutlich besser. Auch im Angriff agierten wir überlegter und am Ende war es ein tolles Gefühl diesen Pokalfight zu gewinnen.“ Natürlich auch für den Coach: „In der Halbzeit haben wir darüber gesprochen, mehr Gas geben zu wollen, denn im Pokal geht es nur ums Weiterkommen. Das haben wir in der zweiten Hälfte gut umgesetzt und auch taktisch waren wir sehr diszipliniert. Ich bin stolz auf mein Team, das immer an sich geglaubt hat und trotz Rückstand so eine gute Halbzeit gezeigt hat“, sagte René Hamann-Boeriths.

Das Viertelfinale wird am kommenden Mittwoch nach dem Spitzenspiel des Thüringer HC gegen Bietigheim ausgelost. Diese beiden Teams spielen auch in den Überlegungen von Ferenc Rott eine Rolle. „Nach Möglichkeit Thüringen und Bietigheim nicht auswärts“, hat er zumindest ein Anliegen im Hinblick aufs Viertelfinale – wohlwissend, dass es kein Wunschkonzert ist..

So spielten sie:
Buxtehuder SV gegen TuS Metzingen 25:26

Buxtehuder SV: Peveling, Gronemann – Borutta, Meier, Fischer (2/1), Haurum, Gubernatis (3), Knippenborg (2), Schirmer (2), Bölk (7), Goss (2), Kaiser (3), Prior (4/2)
TuS Metzingen: Jankovic (1), Roch – Zapf (6), Amega (3), Kobylinska (2), Minevskaja (4/4), Ingenpaß, Großmann (2), Weigel (2), Vollebregt (4), Obradovic, Beddies (1), Behnke (1)
Siebenmeter: 5/3 (Fischer und Prior scheitern) – 4/4
Zeitstrafen: Kaiser, Bölk, Gubernatis (2) – Minevskaja, Vollebregt, Obradovic, Behnke
Schiedsrichter: Nils Blümel, Jörg Loppaschewski
Zuschauer: 860

Wolfgang Seitz
Sportredakteur der SWP